1993

Der Zentralvieh- und Schlachthof von Berlin

Zwischen dem Berliner Bausenator und den Vorstandsmitgliedern der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GSW und Gehag sowie SPD- und CDU-Staatssekretären jeweils aus der Bau- und der Stadtentwicklungsverwaltung wurde auf einer Reise zu städtebaulichen Entwicklungsmaßnahmen in Paris ein gemeinsamer Plan entwickelt. Danach sollte für das in Vorbereitung auf eine geordnete städtebauliche Neuplanung befindliche Gebiet Eldenaer Straße eine Tochtergesellschaft der beiden Wohnungsbaugesellschaften die notwendigen Arbeitsschritte durchführen. Vorgesehen war, das Gebiet als städtebaulichen Entwicklungsbereich auf der Grundlage des neu geschaffenen Maßnahmengesetzes zum Baugesetzbuch festzusetzen, und die neue Tochtergesellschaft mit dem Namen „Stadtentwicklungsgesellschaft Eldenaer Straße mbH“ – s|es, als treuhänderische Entwicklungsträgerin mit der Durchführung zu beauftragen.

Am 1. Januar 1993 begann die s|es mit ihren Arbeiten zur Neuordnung des ehemaligen Schlachthofgeländes auf der Grundlage eines Dienstleistungsvertrages mit Berlin. Im Juli 1993 beschloss das Abgeordnetenhaus von Berlin die allein von der s|es erarbeitete Rechtsverordnung zur förmlichen Festsetzung des Gebietes als „Städtebaulicher Entwicklungsbereich“. Diese Entstehungsgeschichte blieb ein einmaliger Vorgang in der Stadtplanung Berlins. Im Anschluss daran wurde die s|es von der Bauverwaltung als treuhändische Entwicklungsträgerin bestätigt, um die mit der förmlichen Festsetzung verbundenen Aufgaben zu übernehmen und umzusetzen zu können. Im Zeitraum von 1993 bis 2008 war es dann die s|es, die diesen umfangreichen, herausfordernden Prozess der Integration dieser 50 ha großen Fläche in die gewachsene urbane Umgebung erfolgreich umsetzte.

Der „Central-Viehhof Berlin“

Historische Postkarte © gemeinfrei

Gründung des „Central-Viehhof Berlin“

Mehr als ein Jahrhundert war der früher sogenannte Berliner „Central-Viehhof“ eine „Stadt in der Stadt“, wo sich „Großzügigkeit mit Zweckmäßigkeit, architektonische Harmonie mit moderner Technik verbanden. Repräsentative Gebäude prägten das Erscheinungsbild ebenso wie die riesigen Ställe und Schlachthäuser“.

Britische Luftaufklärung 1945 © Senat Berlin

Nach Luftangriffen der Alliierten im Februar und März 1945 waren 80% der Gebäude des Vieh- und Schlachthofes zerstört. Auch der Viehhof und die großen Verkaufshallen sind stark beschädigt. In den nicht beschädigten Gebäuden werden 1945 Reparationsgüter und beschlagnahmte Kunstgegenstände gesammelt, welche dann auf dem direkten Gleisweg in die ehemalige Sowjetunion transportiert wurden.

 

1945 bis 1989

Verladerampe an der Landsberger Allee 1993 © Sebastian Greuner

Die Deutsche Demokratische Republik

Im Februar 1946 beginnt der Wiederaufbau der Schlachtanlagen. Zuvor war der private Viehhandel ausgesetzt worden. In den Folgejahren werden die Schlachtprozesse zunehmend industrialisiert. Der reine Schlachtbetrieb des „Fleischkombinat Berlin“ konzentriert sich auf die Fläche zwischen Thaerstraße und Landsberger Allee. Bis zu 30% der Produktion werden direkt in den Westteil der Stadt geliefert. Auf den Flächen des ehemaligen Viehhofes entstehen ab den 70er Jahren ein Umspannwerk, ein Heizhaus auf Braunkohlebasis, ein Kühlhaus, ein Zentrum für Datenverarbeitung und ein Betonwerk sowie zahlreiche kleinere Dienstleistungsbetriebe. 

Unterführung zum Schlachthof an der Thaerstraße 1993 © Sebastian Greuner

Mit der Wende wird aus dem ehemaligen Fleischkombinat die von der Treuhand verwaltete SBV-Fleisch Berlin GmbH. Auch all die anderen ehemaligen, volkseigenen Betriebe durchlaufen die Umwandlung in andere Rechtsformen. Der ehemals städtische Vieh- und Schlachthof befindet zu Beginn der 90er Jahre somit überwiegend nicht mehr im Besitz Berlins.

nach der Wende

Verladegleise des Viehbahnhofs 1993 © Sebastian Greuner

Anfang der 90er Jahre stellte sich schnell die Frage nach der Zukunft des ehemaligen Vieh- und Schlachthofgeländes. Der damalige Berliner Senat hatte das ehrgeizige Ziel ausgerufen 70.000 öffentlich geförderte Wohnungen in Berlin zu errichten und dafür die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Für dieses Ziel entstanden sechs förmlich festgelegte städtebauliche Entwicklungsgebiete. Eines dieser Gebiete war der ehemalige „Zentralvieh- und Schlachthof“ von Berlin im Prenzlauer Berg, angrenzend an Friedrichshain und Lichtenberg.

Neben dem Parlaments- und Regierungsviertel war das ca. 50 Hektar große Entwicklungsgebiet das Einzige innerhalb des Berliner S-Rings. Seine zentrale Lage, die hervorragende Einbindung in das übergeordnete Verkehrssystem und die gute Erschließung mit öffentlichen Verkehrsmitteln bildeten die Basis für seine erfolgreiche Integration in die gewachsene urbane Umgebung.

1990

Beendigung des Schlachtbetriebes …

… auf dem Teil zwischen Thaerstraße und Landsberger Allee

1990

1997

Mai
Beginn der Vermarktung von ersten Teilflächen unmittelbar an der Landsberger Allee.

1997

1997/98

Verhandlungen und Verkauf der Grundstücksflächen an der Landsberger Allee an einen Privatinvestor. Dieser beabsichtigte unter Einbeziehung der denkmalgeschützen Gebäude ein Einkaufszentrum zu errichten. In den Folgejahren wurde das Grundstück mehrfach verkauft. Alle Interessenten beabsichtigten hier das Thema Einzelhandel zu realisieren.

1997/98

1999

Beginn der Erschließungsarbeiten im Bereich östlich der Thaerstraße. Diese finden 2005 ihren Abschluss.

1999

2008

Aufhebung der Festsetzung als Entwicklungsgebiet

2008